Gallo-Römischer Tempelbezirk Varnenum

16.09.2020 - Hinweise auf die Tempelanlage, die auf der Breiniger Straße hinter Kornelimünster Interessierte auf das Arenal aufmerk- sam machen, lassen viel Raum, sich in die Zeit der römischen Besatzung reinzudenken.

Was wissen wir wirklich aus dieser Zeit? Der Wissensstand ist unter- schiedlich. Die Bezeichnung Gallo-Römische Tempelanlage und die Rekonstruktion eines römisch anmutenden Tempels aus den Funden lassen vermuten, dass die römischen Soldaten fern ihrer Heimat mit dieser Tempelanlage ihren eigenen Göttern nahe sein wollten. Doch bei näherer Betrachtung ist es ganz anders.

Den Namen Gallo-Römisch hat die Tempelanlage erst im Nachhinein bekommen, als sich Archäologen und Geschichtskundige mit den vielen ausgegrabenen Kulturgüter dieser Zeit auseinandersetzen mussten. So bezeichneten sie aufgrund der zahlreichen gallischen Einflüsse die römerzeitliche Kultur in unseren Breiten als gallo-römisch.

Im Laufe der Jahre zwischen 1907 und 1987 wurde bei verschiedenen Ausgrabungen versucht dem Areal seine Geheimnisse zu entlocken und an den Tag zu bringen. Die frühen Grabungen mit Schaufel und Kelle erbrachten die Erkenntnis, dass schon um Christi Geburt an dieser Stelle eine Siedlungsstelle errichtet wurde, bestehend aus mehreren Gebäude. Es konnte auch festgestellt werden, dass diese durch Brand zerstört wurden. Ende des 1. oder Anfang des 2. Jahrhunderts nach Christus wurde diese Siedlung wesentlich größer wieder aufgebaut.

Bei den Ausgrabungen wurden drei Bronzetäfelchen gefunden, die über die Gottheiten, die hier verehrt wurden, Auskunft gaben. Es sind die Gottheiten Varneo, Varnenus und Sanuxsal. Diese Gottheiten sind keine römischen Götter. Die Göttin Sanuxsal wurde zur damaligen Zeit sehr verehrt. Hinweise darauf sind an zehn anderen Orten entdeckt worden. Mittlerweile ist bekannt, Sanuxsal war eine westgermanische Gottheit und sie war Stammesgöttin der Sunuker.

Wie bedeutend die Gottheit war, darüber geben die Weihetäfelchen Auskunft. Menschen, die sich Hilfe von diesen Gottheiten versprachen, bekundeten das auf diesen Täfelchen. Die anderen Gottheiten, Varneo oder Varnenus, sind nur in dieser Tempelanlage bekannt. Eine Auffälligkeit bei den Funden ist folgende: Die Gottheit Sanuxsal wurde wie die einzige erhaltene bildliche Darstellung zeigt sitzend zu ihren Füßen mit einem Tier dargestellt.

Die bisherigen Erkenntnisse sagen folgendes aus: Die römische Verwaltung hat den Götter- glauben der Germanen akzeptiert und deren Gottheiten in den Götterkanon aufgenommen. Erst mit der Christianisierung auftretenden Spannungen haben entscheidendes daran geändert. Derweil es hier schon christliche Klöster gab sind die Götter in den Köpfen der Menschen noch lange existent geblieben.

Es gibt eine Legende aus der Zeit, die davon spricht, dass Kaiser Konstantin (270-337 n.Chr.) vor einer wichtigen Schlacht (an der Milvischen Brücke) ein Kreuz am Himmel sah. Er gewann die Schlacht und er verfolgte das Christentum nicht mehr, sondern er förderte es. Er ließ seine Söhne christlich erziehen. In der Amtszeit einer seiner Nachfolger, Kaiser Theodosius, wurde das Christentum Staatsreligion.

Den ersten Ausgrabungen mit Spaten und Kelle folgten in den letzten Jahren 2016 bis 2018. Geophysikalische Untersuchungen ohne Spaten und Kelle, Geomagnetik, Geoelektrik und Georadar sind großartige Methoden, dass Erdreich nach seiner eingeschlossenen Vergangenheit abzufragen. So wissen die Fachleute heute über Ausdehnung, Straßenzüge und Bebauung und Ausrichtung der Gebäude im Umfeld der schon früher dokumentierten Gebäude der Tempelanlage sehr viel. Es war ein Areal von 200.000 qm Fläche. Eine Besiedlung aus der Zeit um Christi Geburt wartet darauf, auch die letzten Geheimnisse Preis zu geben: Ein Areal welches durch die letzten geophysikalischen Messungen ihre Hausnummern bekommen hat und somit konnte es als Bodendenkmal in seinem ganzen Ausmaß konkretisiert werden.

Heute liegt das Areal fast verschlafen zwischen Kuhwiesen und Nebenstraße. Doch damals um das Jahr 1 n.Ch war in diesem Gebiet sehr viel los. Hier muss es vor römischen Legionären und einheimischen Arbeitern sehr betriebsam hergegangen sein. 50 Jahre zuvor hatte sich Cäsar offiziell über den Rhein gewagt. Mit Sicherheit hatte er schon viel früher seine Vorhut ausgesendet, denn er wollte das Land der Barbaren, wie die Römer das waldreiche Land hinter den Pyrenäen nannte, seinem Land einverleiben. Deshalb musste er sich mit unseren Stämmen bekriegen, er hat ganze Stämme zerschlagen, er musste für seine Kriegszüge Straßen bauen. Diese wurden dann auch als Handelsstraßen benutzt.

Ein regelrechter Bauboom hat um diese Zeit stattgefunden, Straßen und Siedlung wurden nachgewiesen um diese Zeit gebaut. Dazu gab es in unmittelbarer Nähe Steinbrüche und Erzvorkommen. Schmelzöfen dieser Zeit konnten im Gebiet von Breinig nachgewiesen werden. Bei den Untersuchungen konnte man feststellen, dass das Heiligtum mit seiner Besiedlung durch Trassenverbindungen mit dem Gebiet des heutigen Breinig zusammenhängend war. Breinig selbst wurde erst 1303 urkundlich erwähnt. Auch Galmei (Zinkerz), welches zur Herstellung von Messing notwendig ist, wurde hier gefunden. So sind die im Tempelbereich gefundenen Bronzetäfelchen vielleicht sogar in dem Siedlungsbereich um die Tempel entstanden. Wenn wir unsere heutigen Erkenntnisse von Baustellen, z.B. bei Autobahnen- oder Brückenbau mit modernen Baggern, Kränen und Betonmischer zugrunde legen, waren diese Arbeiten damals nur mit entsprechend mehr Menschen möglich, die alles von Hand machen mussten, es ging auch langsamer voran.

Fragen danach, warum und wann die Tempelanlage unbedeutend wurde, sind noch ungeklärt. Nachdem das Heiligtum Varnenum und seine Siedlung unbedeutend wurde, diente es als Steinbruch. In Gebäuden in unserem Umfeld, die später entstanden, wurden Steine mit Inschriften gefunden. Sie wurden schon identifiziert und konnten dem ehemaligen Heiligtum zugeordnet werden.

Alle bisherigen Ausgrabungsbemühungen haben immer noch viele Fragen offen gelassen. Freuen wir uns auf die nächsten Forschungserkenntnisse, die uns an einem Dorf und Siedlungsleben in Tempelnähe dieser Zeit teilnehmen lassen werden. Vielleicht können die vielen offenen Fragen dann auch noch beantwortet werden.



(Text: Wilma Hensches)



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